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„Der SoVD hat wichtige Vorarbeit geleistet!“

Stefan Schwartze will die Rechte von Patient*innen stärken – nicht zuletzt im Bereich der Behandlungsfehler

Arzt läuft einen Krankenhausflur, Menschen warten im Gang.
Jedes Jahr werden Tausende Behandlungsfehler unter die Lupe genommen. Doch die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher sein. Foto: Gorodenkoff / Adobe Stock

Es sollte die Position kranker oder pflegebedürftiger Menschen stärken: Am 26. Februar 2013 trat das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patient*innen (PatRG) in Kraft. Zehn Jahre später zeigt sich jedoch, dass es weiterhin zahlreiche Baustellen gibt. Das macht nicht zuletzt ein vom SoVD in Auftrag gegebenes Gutachten deutlich. Auch den Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze (SPD) treibt dieses Thema um. Als Patientenbeauftragter der Bundesregierung setzt er sich unter anderem für die Opfer von Behandlungsfehlern ein. Im Gespräch mit der SoVD-Zeitung schildert er seine Pläne für einen Härtefallfonds und lobt die Vorarbeit des Sozialverbandes.

Stefan Schwartze ist selbst Mitglied im SoVD. Doch das, so der 48-Jährige, sei nicht der Grund, warum er die Arbeit des Verbandes lobt. Vielmehr gebe ihm das SoVD-Gutachten zum Stand der Patientenrechte in Deutschland bei seiner Arbeit Rückenwind. Seit einem Jahr ist der Ostwestfale Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten. In dieser Funktion, sagt Schwartze, wolle er auch denen eine Stimme geben, die etwa aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation sonst kaum Gehör fänden. Meist gerät man leider ebenso schnell wie unversehens in eine solche Lage. Denn schiefgehen könne immer etwas.

Fehler kommen vor – und werden verschwiegen


Menschen sind grundsätzlich bemüht, aus Fehlern zu lernen. Dennoch ist die Zahl der schweren, wenngleich vermeidbaren medizinischen Behandlungsfehler seit Jahren ungefähr gleich hoch. Zuletzt stieg sie sogar etwas an. Unter diese normalerweise undenkbaren Vorfälle („Never Events“) fallen zum Beispiel bei Operationen zurückgelassene Fremdkörper oder verwechselte Körperteile. 
Doch nicht jede Panne fällt auch auf. Werden beispielsweise Medikamente vertauscht, ist das gerade für Laien nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Und selbst wenn das medizinische Personal einen Fehler bemerkt, heißt das noch lange nicht, dass auch die behandelte Person etwas davon erfährt. Denn rechtlich besteht keine grundsätzliche Pflicht, Patient*innen über einen Behandlungsfehler zu informieren. Diese müssten schon gezielt nachfragen.

Behandlungsfehler lassen  sich schwer nachweisen


Für eine Verbesserung der Auskunftsrechte setzt sich auch Stefan Schwartze ein. Er fordert: „Einträge in die Patientenakte wie auch die Dokumentation insgesamt müssen vollständig und nachvollziehbar sein.“ 
Doch selbst bei Zugriff auf ihre Akte stehen Betroffene vor einem Problem. Denn sie müssen nachweisen, dass ein erlittener Schaden auch wirklich auf einen konkreten Behandlungsfehler zurückzuführen ist. „Dieses Beweismaß“, erklärt Schwartze, „müssen wir absenken, damit Patientinnen und Patienten vor Gericht überhaupt eine Chance haben. Im Moment sind die Hürden dort einfach viel zu hoch.“
Der Patientenbeauftragte will vor allem den Menschen helfen, die nach einem Behandlungsfehler keine Kraft mehr haben und denen schlicht das Geld fehlt, ihre Rechte durchzusetzen. Schwartze unterstützt daher das Vorhaben der Bundesregierung, einen Härtefallfonds einzurichten, der Geschädigte finanziell unterstützt. Das Bundesministerium für Gesundheit erklärte kürzlich, man wolle zu der entsprechenden Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag ein Eckpunktepapier vorbereiten. Einen konkreten Zeitplan hierfür gebe es jedoch noch nicht.

Härtefallfonds könnte für  mehr Gerechtigkeit sorgen


Prof. Dr. Thomas Gutmann lehrt unter anderem Medizinrecht an der Universität Münster. Für den SoVD fertigte der Jurist das Gutachten „Stärkung und Weiterentwicklung der Patientenrechte in Deutschland“ an. Darin geht Gutmann auch auf den Fonds für Härtefalle ein. Er betont, dass dessen in der Höhe begrenzte Leistungen die individuelle Haftung keinesfalls ersetzen sollen. Behandelnde müssten also weiterhin für verursachte Schäden haften. Um aber jene Einzelfälle aufzufangen, so Prof. Gutmann, die „durch das Raster der abstrakt-generellen Regeln des Haftungssystems fallen und von diesem nicht gerecht entschieden werden können“, wäre ein Härtefallfonds sehr sinnvoll.

Zu viel Druck im System  begünstigt letztlich Fehler


So traurig das ist: Komplett vermeiden lassen sich Behandlungsfehler wohl leider nicht. Entscheidender dürfte daher die Frage sein, wie wir mit Fehlern umgehen. Auch hierzu äußerte sich Stefan Schwartze gegenüber der SoVD-Zeitung. Dabei plädierte der Patientenbeauftragte für eine Fehlerkultur, bei der sich alle Beteiligten ehrlich mit Defiziten auseinandersetzen und Mängel aufarbeiten. Schwartze betont: „Es ist wichtig, dass man die Arbeitssituation der Beschäftigten in den Gesundheits- und Pflegeberufen mitberücksichtigt. Denn eine sehr hohe Arbeitsbelastung führt natürlich auch zu Fehlern.“ 

Zuletzt räumte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein, man habe die Ökonomie in der Medizin zu weit getrieben. Das sieht der SoVD genauso: Ein geringerer Kostendruck könnte die Versorgung der Menschen insgesamt wieder in den Mittelpunkt rücken.
 

Das Gutachten des SoVD finden Sie online auf der Themenseite zu Patientenrechten