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Reform ohne spürbare Entlastung

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SoVD kritisiert: Gesetzentwurf ändert nichts an den Problemen der Pflegeversicherung.

Pflegekraft legt Arm und eine Patientin.
Statt einer echten Pflegereform bringt die Koalition halbherzige Maßnahmen auf den Weg und erhöht die Beiträge zur Pflegeversicherung. Foto: Robert Kneschke / Adobe Stock

Im April verabschiedete das Bundeskabinett den Entwurf zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz. Die Vorstandsvorsitzende des SoVD, Michaela Engelmeier, reagierte enttäuscht und sagte, das Gesetz verdiene seinen Namen nicht. Die vermeintliche Reform, so Engelmeier, verlange von den Menschen höhere Beiträge zur Pflegeversicherung, ohne dabei die Situation Pflegebedürftiger und Pflegender hinreichend zu verbessern.

Schafft es der Gesetzentwurf in den kommenden Wochen wie geplant durch den Bundestag, wird die Pflegeversicherung schon ab Juli teurer. Der allgemeine Beitragssatz steigt dann von 3,05 auf 3,4 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose zahlen künftig sogar vier Prozent Pflegebeitrag.

Gleichzeitig setzt die Bundesregierung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom letzten Jahr um, indem sie Eltern mit mehreren Kindern entlastet. Sie zahlen ab dem zweiten Kind 0,25 Beitragssatzpunkte weniger für jedes Kind. Das gilt allerdings höchstens bis zu einer Gesamtzahl von fünf Kindern.

Rentnerinnen und Rentner weiterhin benachteiligt

Diese Beitragsabschläge für Eltern soll es, anders als ursprünglich vorgesehen, jetzt jedoch lediglich bis zum vollendeten 25. Lebensjahr der Kinder geben. Ältere mit erwachsenen Söhnen oder Töchtern gingen somit leer aus. Das, so die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier, sei „ein Schlag ins Gesicht“ für viele Rentnerinnen und Rentner.

Diese treffe die Beitragserhöhung ohnehin besonders hart, da sie bereits seit Jahren den vollen Beitragssatz zur Pflegeversicherung selbst tragen müssen. Daher sei es längst an der Zeit, dass sich die Deutsche Rentenversicherung zur Hälfte an den Beitragszahlungen in der sozialen Pflegeversicherung beteiligt – analog zu den Regelungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung.

Leistungen steigen ab 2024 um magere fünf Prozent

Beitragszahlende haben von dem neuen Gesetz somit also keine Entlastung zu erwarten. Im Gegenteil: Für sie wird es zusehends teurer.

Was die Unterstützung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen angeht, sieht es leider nicht besser aus. Von den fünf Millionen Menschen, die in Deutschland derzeit auf Pflege angewiesen sind, werden rund vier Millionen zu Hause versorgt. Für Betroffene ist das nicht nur eine emotionale, sondern vor alem auch eine finanzielle Herausforderung. Die Leistungen aus der Pflegeversicherung, die eine Versorgung durch Angehörige oder mithilfe von Pflegediensten möglich machen – ambulante Sachleistungsbeträge und Pflegegeld –, erhöhen sich zum kommenden Jahr lediglich um fünf Prozent.

Im stationären Bereich bietet sich ein ähnliches Bild. Wer in einem Heim versorgt wird, erhält bereits heute von der Pflegekasse Zuschüsse zu den Zahlungen, die selbst zu leisten sind, also zum Eigenanteil. Abhängig von der Verweildauer in der jeweiligen Einrichtung steigt dieser Zuschuss ebenfalls zum kommenden Jahr um fünf bis zehn Prozent. Während des ersten Jahres in einer vollstationären Einrichtung gäbe es demnach künftig eine Beihilfe von 15 Prozent, im zweiten Jahr dann 30 Prozent. Im Durchschnitt liegt der Eigenanteil derzeit bei über 2.400 Euro pro Heimplatz und Monat.

Erhöhungen machen  Preissteigerung nicht wett

Angesichts enormer Kosten sind die zaghaften Erhöhungen für den SoVD allenfalls der sprichwörtliche Tropfen auf einen sehr heißen Stein. Die höheren Zahlbeträge gleichen die gestiegene Inflation nicht aus und greifen mit einem geplanten Start zum Januar 2024 darüber hinaus viel zu spät. Erst kürzlich ergab eine Studie im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit, dass ein Drittel aller Heimbewohner*innen bereits auf Sozialhilfe angewiesen ist.

Dennoch sollen Geld- und Sachleistungen auch in den kommenden Jahren nur 2025 und dann erst wieder 2028 an die Preisentwicklung angepasst werden. Eine Dynamisierung muss aus Sicht des SoVD jedoch dringend jährlich erfolgen.

Dass die Bundesregierung den Beitragssatz in der Pflegeversicherung zudem künftig per Rechtsverordnung am Bundestag vorbei erhöhen kann, lehnt der SoVD vor diesem Hintergrund entschieden ab. Schon jetzt haften allein die Beitragszahlenden mit ihrem Geld für das Defizit der Pflegeversicherung. Es ist beschämend, dass die Koalition nicht zu ihrem Versprechen steht, die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln zu finanzieren. Stattdessen ergehen sich die zuständigen Ministerien in einem unwürdigen Streit um die Bereitstellung öffentlicher Gelder.